Erst mit 13 Deutsch gelernt und 20 Jahre später eine der renommiertesten Journalistinnen Österreichs. Olivera Stajić, der Standard-Redakteurin und Ressortleiterin der Videoredaktion und von Edition Zukunft bei der Standard publiziert schon seit über einem Jahrzehnt brillante Inhalte. Außerdem gehört sie zu einer der bekanntesten Twitterpersönlichkeiten Österreichs. Mit medien.geil teilt sie wertvolle Ratschläge und erzählt, wie es um die Diversität in der österreichischen Medienwelt steht.

medien.geil: Du bist seit 2009 bei der Standard und zählst zu den bekanntesten Journalist:innen Österreichs. Wie hat dein Weg zum Erfolg ausgeschaut?

Olivera: Ich bin eigentlich relativ spät in den Journalismus eingestiegen. Das hat viel damit zu tun, dass ich erst mit 13 Jahren aus dem ehemaligen Jugoslawien nach Österreich gekommen bin und Deutsch gelernt habe. Ich habe mich auch lange nicht getraut. Den Berufswunsch hatte ich jedoch schon immer. Letztendlich habe ich mich doch in den Journalismus getraut und ich mache jetzt etwas, was ich liebe. Es ist auch das Einzige, was ich richtig gut kann. Die Inspiration, die man daraus ziehen kann ist, sich einfach zu trauen Dinge auszuprobieren und die innere Kritikerin zu besiegen. 

Ich will es jedoch nicht schönreden: Der Weg in den Journalismus ist auch, dass man jahrelang unterbezahlt arbeitet, sich eventuell verschulden muss und auch nebenbei Brotjobs machen muss, um seine Miete zu bezahlen.

medien.geil: In deiner journalistischen Arbeit beschäftigst du dich auch viel mit Rassismus, Diversität und Migration in Österreich. Wie steht es deiner Meinung nach um Diversität in der Medienwelt? Hat sich in den letzten Jahren viel verändert?

Es hat sich ein bisschen was bewegt. Jahrzehntelang war es überhaupt kein Thema, weil der Journalismus in Österreich ein kleiner Markt ist. Der österreichische Journalist war früher immer ein weißer Mann, der –falls er studiert hat- frisch von der Uni von jemandem engagiert wurde und Karriere gemacht hat. Danach ist er vielleicht noch in die PR oder in die Politik gewechselt und wieder zurückgekommen. Ein bisschen diverser ist der Journalismus geworden, sobald die Frauen gekommen sind, als es die ersten FHs gab und sich immer mehr junge Leute für den Journalismus interessiert haben. Der Umstand, dass überhaupt Menschen mit Migrationshintergrund in die Medienwelt gekommen sind und man sie unbedingt braucht – auf diese Idee sind Medienhäuser erst vor zehn bis fünfzehn Jahren gekommen. Darauf folgten Initiativen, mit denen versucht wurde, mehr Journalist:innen mit Migrationshintergrund zu holen – so bin ich auch zum Standard gekommen – ich habe damals die Redaktion von daStandard, die Lehrredaktion für Journalist:innen mit Migrationshintergrund geleitet. Das waren bisher jedoch alles nur Minischritte.

Journalistinnen mit Migrationshintergrund sind vielen zu parteiisch und gebiased – als wäre ein alter, weißer Mann der Inbegriff der Objektivität… 

Wie steht es um den Journalismus in Bezug auf Diversität jetzt?

Mittlerweile kommen einige – vor allem weibliche Kolleginnen mit Migrationshintergrund in den Journalismus. Da muss man sich fragen, wieso es genau Frauen mit Migrationshintergrund sind. Jedes Mal, wenn eine Branche schlecht bezahlt wird – so wie auch der Journalismus- arbeiten hauptsächlich Frauen dort. Wenn Männer mit Migrationshintergrund den Bildungsaufstieg schaffen und Karriere machen wollen, gehen sie in Branchen, die gut bezahlt sind. Ich finde es super und wünsche mir persönlich viel mehr Frauen – vor allem mit Migrationshintergrund im Journalismus, aber das ist meine Analyse und die bittere Wahrheit. Es tut sich im Bezug auf Diversität ein bisschen was – Amra Durić ist zum Beispiel jetzt in der Chefredaktion von der Heute-Zeitung. Ich freue mich auch sehr darüber, dass ich seit ein paar Jahren beim Standard einige Kolleginnen mit Migrationshintergrund habe. Journalistinnen mit Migrationshintergrund sollten in Österreich jedoch meiner Meinung nach viel sichtbarer werden – im öffentlich-rechtlichen Fernsehen vor allem. Ich glaube schon, dass sich etwas tut. Ich finde trotzdem, es müsste schneller gehen und dazu ist fast niemand in den Chef:innenetagen bereit. 

Und warum geht es so langsam voran? 

Ich unterstelle jeder/m einen guten Willen und dass viele Redaktionen bereit für mehr Diversität wären. Ich glaube jedoch auch, dass Journalist:innen mit Migrationshintergrund wahrscheinlich doppelt so gut sein müssen und sich extra beweisen müssen, um etwas zu erreichen. Und dass sie sich selbst initiativ bewerben müssen. Ich glaube, dass es hier so wie mit Frauen ist. Seit dreißig Jahren will man sie angeblich in der Medienwelt dabeihaben. Aber man kriegt sie nicht, weil sie aussortiert werden, sobald sie dreißig sind und Kinder haben und man ihnen unterstellt, nicht flexibel oder schön genug für den Journalismus zu sein. Bei Journalist:innen mit Migrationshintergrund ist es so ähnlich. Ich denke schon, dass sich viele Medienhäuser denken: „Wäre nett, wenn wir Migrant:innen hätten, weil es gut in den Redaktionen aussieht und sie andere Aspekte mitbringen würden“. Andererseits sind sie vielen zu parteiisch und gebiased – als wäre ein alter, weißer Mann der Inbegriff der Objektivität… 

Jedes Mal, wenn eine Branche schlecht bezahlt wird – so wie auch der Journalismus- arbeiten hauptsächlich Frauen dort.

Im Laufe deiner Karriere bei der Standard hast du bereits einige Projekte geleitet – beispielsweise daStandard – die Lehrredaktion für Menschen mit Migrationshintergrund oder jetzt deinStandard – das neue Videoprojekt. Welches ist dein Herzensprojekt?

Ich habe alles, was ich bisher gemacht habe immer wahnsinnig gerne gemacht. An daStandard erinnere ich mich heute allerdings immer noch gerne zurück. Ich finde es großartig, wie viele Menschen, die dabei waren, Karriere in der Medienwelt gemacht haben. Dieses Projekt hat wirklich viel bewegt. Ich liebe es immer neue Sachen zu machen, arbeite irrsinnig gerne mit jungen Leuten zusammen und freue mich immer wieder, etwas dazuzulernen. 

Neben deiner Tätigkeit für der Standard bist du auch sehr aktiv auf Twitter. Welchen Stellenwert hat Twitter für den österreichischen Journalismus?

In Österreich ist Twitter eine relativ kleine Journalismus-Politik-Blase. Ich glaube schon, dass Twitter wichtig ist. Ich habe es allerdings nie deshalb verwendet, sondern weil es mir einfach wahnsinnig viel Spaß macht. Ich finde außerdem auch nicht, dass man unbedingt dabei sein muss, um seinen Job zu machen. Es erleichtert jedoch oftmals Recherche und ist gut zum Netzwerken. 

Braucht man als angehende:r oder junge:r Journalist:in Twitter?

Ich weiß nicht, ob man heutzutage noch auf Twitter sein muss, ich glaube Instagram reicht. Es wächst gerade eine neue Generation an Journalist:innen heran, für die Instagram wichtiger ist. Aber auf einem sozialen Netzwerk sollte man schon sein, ich finde Selbstvermarktung als Journalist:in sehr wichtig. Vor allem jungen Journalist:innen sollte klar werden, wie wichtig es ist. Denn Karrieren, bei denen man zwanzig Jahre beim selben Medium arbeitet, werden in Zukunft seltener werden und man wird vermehrt als freie:r Journalist:in arbeiten. Das hat auch seine Vor- und Nachteile. 

Welchen Ratschlag würdest du jungen Journalist:innen – insbesondere mit Migrationshintergrund auf ihren Weg mitgeben?

 Drei Sachen:

Vernetzt euch untereinander! Tauscht miteinander Tipps und Ideen aus, helft euch gegenseitig wo ihr könnt.

Sucht euch eure Nische: Findet etwas, womit genau ihr euch besonders gut auskennt und die ihr gerne macht. Alles ist hierbei erlaubt.

Schaut auch einmal über österreichische Grenzen hinaus. Österreich ist ein kleines Land. Der Markt hier ist umso kleiner und oft nicht ohne Vitamin B zugänglich. Wir haben jedoch den großen Vorteil, dass unsere Sprache in drei Ländern gesprochen wird und uns steht daher die deutsche und schweizer Medienlandschaft auch noch offen. Am besten alles ausprobieren, bis man glücklich ist.

Über Olivera: Olivera Stajić hat 2003 das Magisterstudium Geschichte abgeschlossen, ist verheiratet und hat zwei Kinder. Seit 2009 ist sie bei der Standard tätig.

Oliveras journalistische Laufbahn bei der Standard:

  • 2009 – 2017: Leiterin von daStandard
  • 2012 – 2017 Chefin vom Dienst Standard Online
  • Ab Jänner 2020: Ressortleiterin der Edition Zukunft
  • Ab Oktober 2020: Ressortleiterin Standard Videoredaktion

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