Montag, neun Uhr im Büro, um zwölf Uhr Mittagspause und um fünf Uhr Feierabend. Klingt nach einem typischen Arbeitsalltag. Für Journalist:innen jedoch eher nicht. Drei Journalistinnen in verschiedenen Positionen erzählen wie ihr Arbeitsalltag wirklich aussieht. Spoiler alert: Er ist nicht so glamourös wie bei Der Teufel trägt Prada oder Sex and The City.
Wir kennen sie alle: die Journalist:innen aus Filmen, die nächtelang vor dem Computer sitzen, sich auf Pressekonferenzen drängen und für ihre Reportagen die halbe Welt bereisen. Doch seien wir uns ehrlich: Filme bilden selten die Realität ab. Reality Check von Aleksandra Tulej: Sie ist Chefreporterin beim Wiener Migrant:innenmagazin BIBER. Mit ihren Geschichten deckt sie Missstände auf und berichtet von innen heraus über Themen, die von Massenmedien oft nicht gehört werden – wie Frauen aus der tschetschenischen Community, Ex IS-Sympathisanten oder Missbrauchsopfern der katholischen Kirche. „Manchmal ist es so, dass ich am Montag ins Büro komme und nicht weiß, wie meine Woche aussieht“, so Aleksandra.
“Es gibt immer was zu tun”
Montags um 9:30 findet bei BIBER die Redaktionssitzung statt. Bei der Sitzung wird besprochen, was diese Woche alles ansteht, wie Aleksandra erzählt. “Es ist aber nicht so, dass ich von Montag bis Freitag von neun bis fünf im Büro sitze – im Gegenteil: Manchmal habe ich Dienstagvormittag einen kurzen Leerlauf, aber dafür dann an einem Sonntag ein Interview. Ich höre eigentlich nie auf zu arbeiten“, so die Journalistin. „Ich habe aber kein Problem damit. Ich liebe meinen Job. Ich bin immer auf der Suche nach neuen Geschichten“.
Ich höre eigentlich nie auf zu arbeiten.
Feierabend und Handy auf Flugmodus
Obwohl die 29-Jährige für ihren Job lebt, muss sie auch mal abschalten. Das macht sie, indem sie ganz unglamourös ihre Wohnung putzt oder SIMS spielt und dabei Tiefkühlpizza isst – dabei kann sie am besten entspannen. „Manchmal würde ich mir schon wünschen, einen klassischen Bürojob zu haben, abends heim zu kommen und mein Handy einfach auszuschalten. Aber im Endeffekt weiß ich: Das ist nicht das, was ich wirklich will“, so die Journalistin. Die Freiheit, zum Großteil selbst über ihre Arbeit bestimmen zu können, schätzt Aleksandra besonders. Sie weiß, dass dies eher Ausnahme als Regel im Journalismus ist.
Traumberuf: Journalistin
Ab Anfang Juli sitzt Amra Durić in der Online Chefredaktion der Tageszeitung Heute. Seit 2014 arbeitet sie bei der Zeitung, derzeit schreibt die 30-Jährige für die Chronik und ist stellvertretende Kulturressortleiterin und Redakteurin des Mediums. Journalistin wollte die gebürtige Bosnierin immer schon werden. Gleich nach ihrem Schulabschluss zog sie aus Tirol nach Wien, um Publizistik zu studieren. Während ihres Bakkalaureatsstudiums hat sie angefangen für das ÖH Uni Wien Magazin Unique zu schreiben und ist kurz vor ihrem Studienabschluss zu Heute gekommen.
Struktur, aber keine Routine
Doch wie sieht der Arbeitsalltag als Redakteur:in bei so einer großen Tageszeitung wie Heute aus?
Einen richtig geregelten Arbeitsalltag hat Amra nicht. Im Gegensatz zu Aleksandra haben ihre Tage doch etwas mehr Struktur. Ihre Arbeitswoche beginnt am Sonntag um 10:00 und endet am Donnerstag um 18:00 bis 19:00. Das erste, was die Journalistin macht, sobald sie das Büro betritt, ist es, die Nachrichten zu checken. Danach recherchiert sie für ihre eigenen Geschichten, führt Telefonate und Interviews, schreibt an ihren Artikeln weiter und geht auf Events. Außerdem wird immer wieder geschaut, wie sich der Tag gerade entwickelt. In Extremsituationen – wie dem Terroranschlag in Wien im November 2020 – ist es für die Redakteurin selbstverständlich, ihre Kolleg:innen auch nach Feierabend zu unterstützen.
Ich bin immer erreichbar, aber meine Kernaufgaben sind im Laufe des Tages erledigt.
Lernen, selbst Grenzen ziehen
Doch wie schafft Amra den Ausgleich zwischen Job und Privatleben? „Ich bin privat und beruflich dauernd auf Instagram oder Twitter unterwegs und muss für mich selbst auch Grenzen ziehen“, erzählt die Journalistin.
An ihren freien Tagen – also am Freitag und Samstag – versucht sie, sich Zeit für sich selbst zu nehmen und trifft sich mit ihren Freund:innen oder holt Dinge nach, für die sie im Laufe der Woche keine Zeit hatte. „Es ist für die eigene Seele wichtig, irgendwann auch mal abzuschalten. Ich bin immer erreichbar, aber meine Kernaufgaben sind im Laufe des Tages erledigt. Außerdem ist die Heute-Redaktion bis halb zwölf in der Nacht immer besetzt“, erzählt Amra.
Man muss sich selbst verkaufen
Die 27-Jährige Nadja Riahi ist seit ihrem Masterabschluss im August 2020 in Journalismus und Neue Medien an der FH Wien selbstständig und etabliert sich seitdem als freie Journalistin in der österreichischen Medienwelt. Davor war sie zwei Jahre lang Redakteurin bei dem Wirtschaftsmagazin medianet und hat im Media- und Marketing-Ressort gearbeitet. Seitdem produziert sie Radiobeiträge für die Radiosendung Femality des FH Wien Radios Radio Radieschen, schreibt Texte für die Presse, die Wienerin oder auch das Moment Magazin. Ab September leitet sie die Jugendredaktion der Lokalzeitung Der Achte und ist dort auch als freie Redakteurin tätig.
„Als freie Journalistin kann man sich seine Geschichten selbst auswählen, aber man muss sie auch verkaufen können“, erzählt Nadja. Als freie:r Journalist:in arbeitet man die meiste Zeit alleine. Man schickt einen Pitch an die Redaktion und schreibt – wenn der Pitch genommen wird – alleine seine Geschichten. Im Team arbeiten mag die Journalistin lieber, doch als ihre alte Redaktion coronabedingt ins Homeoffice übersiedelt ist, war der Arbeitsalltag ähnlich wie der von freien Journalist:innen.
Zusammen ist man stärker
Einen geregelten Alltag hat Nadja nicht. Sie versucht das jedoch zu ändern und sich fixe Arbeitstage vorzunehmen. „Es kommt immer darauf an, was zu tun ist“, erzählt die 27-Jährige. „Für eine Story bin ich beispielsweise auch bei den Fotoshootings dabei gewesen und die waren alle am Sonntag. Manchmal führe ich auch am Wochenende Interviews oder recherchiere”, erzählt die Wienerin. Zwar versucht Nadja ihre Arbeitsorte immer zu wechseln und mal in ihrem Zimmer, in ihrer Küche, im Arbeitszimmer bei ihrer Mutter oder in Cafés zu arbeiten. Als jedoch der Lockdown gekommen ist, war ein Locationwechsel eher nicht möglich.
Um mit anderen freien Journalist:innen besser zu connecten, hat Nadja ein freies Journalistinnen- Kollektiv gegründet. Zusammen mit dem Kollektiv werden Redaktionssitzungen abgehalten, genetworked und sich gegenseitig unterstützt.
“Jedes Gespräch kann zum potenziellen Pitch werden”
„Du musst dich selbst verkaufen. Jedes Gespräch, das du mit einer Person aus der Medienbranche führst, könnte ein potenzieller Pitch für dich sein. Man ist dauernd am Suchen von neuen Geschichten. Und es hört einfach nie auf. Das kann super anstrengend für die Psyche sein. Ich glaube, dass so etwas einfacher ist, wenn man fix in einer Redaktion ist und ein regelmäßiges Einkommen hat“, erzählt Nadja.
„Als freie Journalistin musst du dich auch immer selbst motivieren – und das kann manchmal echt schwer sein”, so Nadja. Um neue Kraft zu tanken und abzuschalten, trifft sich die Journalistin mit ihren Freund:innen, geht ins Yogastudio oder spazieren. „Ich muss oftmals wirklich meine Wohnung verlassen, um wirklich abzuschalten. Wenn ich den ganzen Tag zuhause bin, finde ich immer etwas Neues zum Arbeiten und das kann erdrückend werden“ , erzählt Nadja.
Du musst dich selbst verkaufen. Jedes Gespräch, das du mit einer Person aus der Medienbranche führst, könnte ein potenzieller Pitch für dich sein. Man ist dauernd am Suchen von neuen Geschichten. Und es hört einfach nie auf.
Seine Grenzen kennen und Hilfe annehmen
Dass Journalist:innen besonders von Stresserkrankungen betroffen sind, darüber hat medien.geil bereits 2020 im Beitrag „Journalismus und die Psyche“ berichtet.
Amra findet es in solchen Situationen besonders wichtig, sich eine Auszeit zu nehmen und ihr Handy einfach abzudrehen. Allen Heute-Redakteur:innen steht außerdem ein Arbeitspsychologe zur Verfügung, zu dem jede:r, der/die es braucht, hingehen kann. „Das braucht jede Redaktion“, findet die Journalistin. In der Heute-Redaktion wird besonders jetzt nach den Corona-Lockdowns sehr offen mit psychischer Gesundheit umgegangen. „Die Chefredaktion fragt außerdem immer nach, wie es den Leuten geht“, erzählt sie.
„Vor allem als junge:r Journalist:in sollte man jedoch auch lernen, abschalten zu können. Einfach mal das Handy weglegen. An seinen freien Tagen auch ab und zu keine Nachrichten konsumieren“, rät Amra.
Journalismus muss man lieben
Die bittere Wahrheit ist: Journalismus ist nicht für jede:n. Man muss der Typ dafür sein, so viel Arbeit in seinen Job zu investieren. Die Frage, ob man damit zurechtkommen würde, sollte man sich als angehende:r Journalist:in daher unbedingt stellen. BIBER-Redakteurin Aleksandra resümiert: „Journalismus ist kein Brotjob. Journalismus muss man lieben. Man sollte sich natürlich nicht ausbeuten lassen oder gar gratis arbeiten. Man kann nicht nur von Luft, Liebe und Passion lieben. Aber man muss einfach mit Herzblut dabei sein, sonst wird man nicht glücklich. Im Journalismus ist die Arbeit nie zu Ende, deswegen wird man sich psychisch sehr schwer tun, wenn man nicht der Typ dafür ist“.