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Aleksandra Tulej, Chefin vom Dienst bei biber als #femspiration

Die Story über Abtreibungstourismus junger Polinnen nach Wien? Das war Aleksandra Tulej. Die Story über Kindesmissbrauch in der Katholischen Kirche? Das war auch Aleksandra. Und die Story über Ex-IS-Sympathisanten, die nun Jugendliche deradikalisieren? Ebenfalls Aleksandra.

Die 27-Jährige, bei allen bekannt als Ola (polnischer Spitzname für Aleksandra) ist Chefin vom Dienst beim biber Magazin und ballert seit Jahren eine Megastory nach der anderen raus. Für den Ausgleich betreut sie auch das dortige Lifestyle-Ressort, ihre Spezialität sind aber Storys, an die sich andere aus Angst, wem ans Bein zu pinkeln, im Leben nicht trauen würden. Deshalb freuen wir uns riesig, euch Ola als #femspiration auf medien-geil.at vorzustellen.

medien.geil: Was muss eine Chefin vom Dienst können?

Aleksandra Tulej: Sie ist die Schnittstelle von Redaktion, Freien Journalist:innen, Fotoredaktion, etc. Man ist verantwortlich für die Deadlines, den Seitenspiegel, die Inseratplatzierungen, und und und. Organisationstalent ist von Vorteil!

Und was gefällt dir an deiner Position am meisten?

Mir gefällt, dass ich den Überblick habe und von A bis Z in die Magazinproduktion eingebunden bin. Mir gefällt auch der Mix aus kreativer Tätigkeit und Verantwortung. 

Wenn man sich deine bekanntesten Artikel durchliest, merkt man schnell, dass du über sehr „harte“ Themen schreibst. Zum Beispiel über Abtreibungstourismus, Kindesmissbrauch in der katholischen Kirche oder über ehemalige IS-Sympatisanten. Warum ziehen dich genau solche Themen an?

Ich liebe es, länger an einer großen Geschichte zu arbeiten – diese Story wird dann für ein paar Wochen so etwas wie mein Lebensmittelpunkt. Ich steigere mich oft sehr in diese Geschichten rein, weil ich es einfach spannend finde, in Lebenswelten einzutauchen, mit denen ich so in meinem Alltag nicht konfrontiert werde. Ich greife gerne solche Themen auf, da sie meiner Meinung nach in den Medien entweder zu wenig vorkommen, oder aus einer sehr populistischen oder fast schon rechten Sichtweise heraus beschrieben werden. Ich schreibe die Stories so, wie sie sind. Ich möchte nichts verschönern, nichts framen – Ich will einfach darüber berichten.  

Hat dir ein solcher Artikel schon einmal schlaflose Nächte bereitet?

Um ehrlich zu sein: Wahrscheinlich alle, aber im positiven Sinne. Ich kann nicht „abschalten“, wenn ich abends aus der Redaktion nach Hause komme. Ich denke ständig darüber nach, was man noch aufgreifen oder verbessern könnte. Aber das gibt mir auch viel Antrieb.

Was bereitet dir am meisten Angst während deiner Arbeit an den Artikeln?

Ich möchte nicht, dass die Protagonist:innen der Artikel, die mir oft sehr vertrauen, einen Nachteil davontragen, weil sie sich bereiterklärt haben, mir ihre Geschichte zu erzählen. Das ist mir sehr, sehr wichtig und bereitet mir manchmal Sorgen.

Gibt es eine Geschichte, die du bereust, geschrieben zu haben?

Ich bereue im Nachhinein nur, manche Themen nicht ausführlicher beleuchtet zu haben, wie zB „Heimlich auf Haram“ – (Eine Story über junge wiener MuslimInnen, die von ihrem Leben zwischen Glaube und Versuchung gesprochen haben) Aus heutiger Sicht hätte ich da mehrere Religionen eingebunden. Aber man denkt ja auch immer weiter und entwickelt sich und seine Denkweise.

Wie gehst du auf deine Interviewpartner:innen ein?

Der erste Schritt ist, sich mit den Leuten gut zu stellen. Ihnen das Gefühl geben, dass sie mir wirklich vertrauen können. Man merkt schnell, wer wie drauf ist. Auf die Person eingehen, wenn notwendig, sogar ein bisschen Schauspielern: Den Jargon anpassen, den Ton – und dann geht das immer wie von selbst. Was mir dennoch wichtig ist: Ich versuche nicht, über Manipulation irgendetwas herauszufinden, das dann gegen die Person verwendet werden kann. Und Anonym bedeutet bei mir strikt Anonym und aus – bei manchen Gesprächspartner:innen wusste nicht einmal ich ihre richtigen Namen.

Wie schaffst du es, so ein Vertrauen zu deinen Interviewpartner:innen Protagonisten aufzubauen und die Leute in deinen Geschichten dazu zu bringen, dir solch intime Geschichten, die ihnen potentiell schaden könnten, zu erzählen?

Ich bin ehrlich gesagt manchmal überrascht, wie sehr manche mir vertrauen. Vor allem bei Jüngeren bin ich oft in einem moralischen Zwiespalt: Was kann ich in dem Artikel verwenden, was soll ich auslassen? Die wissen glaube ich oft nicht, welche Konsequenzen das mit sich tragen könnte. Deshalb gehe ich da auf Nummer sicher, anonymisiere, so viel es geht und lasse Passagen aus (auch wenn sie super für die Geschichte wären).

Auf welche(n) Artikel bist du besonders stolz?

Auf „Das ist nicht unser Jihad“ und „Jung, Brutal,Kriminell.“ Das hat auch am meisten Spaß gemacht und war eine echt interessante Recherche. Keine Ahnung, wieso ich so auf diese kriminellen Themen stehe. (Unser Guess: wegen ihrer Vorliebe zu Deutschrap.)

Welchen Tipp bezüglich einer guten Recherche würdest angehenden Journalist:innen geben?

Immer auf der Suche nach einer neuen Story zu sein – klingt anstrengend, aber zahlt sich aus. Die besten Geschichten sind einfach auf mich zugekommen. Und: Bei „harten“ Themen einen Rücken haben. Jemanden, der aus der Community, dem Milieu, der Organisation oder was auch immer ist und im Notfall hinter dir steht. Das gibt mir persönlich sehr viel.

Welche neuen Artikel können wir in nächster Zeit von dir erwarten? Woran arbeitest du gerade?

An einem Thema, über das ich so noch nichts in österreichischen Medien gelesen habe – es ist aber noch im Entstehungsprozess und ich bin gerade am Überlegen, welche Aspekte moralisch vertretbar sind. Stay tuned!

Olas Stationen auf dem Weg zum Journalismus:
  • am 8. Mai 1992 in Krakau (Polen) geboren
  • mit 6 Jahren nach Österreich gekommen
  • 2010 am Akademischen Gymnasium Wien maturiert
  • danach Jus Studiert und nach 3 Jahren geflogen (was wie sie sagt, das Beste ist, was ihr je passiert ist)
  • Bachelor Transkulturelle Kommunikation
  • Master Konferenzdolmetschen (Polnisch Deutsch Englisch)
  • 2013: biber Akademie
  • 2013: Praktikum bei „Die Presse“ im Innenpolitik-Ressort
  • 2014-2015 Redakteurin bei OnRail
  • 2016: Praktikum bei Puls4 – Mobile Reporting Academy
  • seit 2016 Redakteurin bei biber
  • seit 2019 Chefin vom Dienst bei biber
  • als Freie publiziert bei an.schläge, Süddeutsche, VICE

Was Ola macht, wenn sie gerade nicht Facebookgruppen durchforstet, um irgendeine Riesenstory zu schreiben: Boxen, Sims 2 Spielen, Deutschrap hören oder Wohnung 10 Mal am Tag umdekorieren

Ihr könnt Olas Arbeit auf Instagram und in jeder Ausgabe des biber Magazins verfolgen.