Österreichische Redaktionen plakatieren ihre Blattlinie damit, bunt und anti-rassistisch zu sein, weil zwei Personen mit türkischen Namen in der PR-Abteilung sitzen und die Hälfte der Redakteur:innen weiblich ist. Die Wahrheit ist aber: Der österreichische Journalismus ist weiß, männlich und autochthon österreichisch. Und das ist ein Riesenproblem.
Immer wieder wird über Ausländer:innen berichtet, doch wann kommen Ausländer:innen selbst zu Wort? Nur rund ein halbes Prozent der österreichischen Journalist:innen hat Migrationshintergrund. Wisst ihr, wie wenig das ist? Um das Ganze einmal hinunterzubrechen: Ungefähr die Hälfte aller Wiener:innen sind Migrant:innen. Ihr merkt, da stimmt etwas nicht. Selbst in Redaktionen in Deutschland sind es nur ein Prozent migrantischer Journalist:innen.
Diese Zahlen habe ich aus einer Publizistikvorlesung, in der es um Migrant:innen und Medien ging. Das war die mit Abstand am wenigsten besuchte Vorlesung, in der ich je war. Als ich die Prüfung abhalten wollte, war ich eine von fünf Personen. Für alle, die es nicht wissen: Ich studiere im Bachelor Publizistik- und Kommunikationswissenschaft auf der Universität Wien. Es ist ein Massenstudium, wir sind tausende. Und trotzdem gehöre ich als Migrantenkind der Minderheit an.
Migrant:innenthemen jucken österreichische Akademiker:innen einfach nicht so
Letztes Semester habe ich mich als Fachtutorin für ein Erstsemester-Tutorium beworben und das Thema „Migrant:innen und Medien – wie Migrant:innen in Österreich medial präsentiert werden und wie die Zukunft von ethnischen Medien aussieht“ vorgeschlagen. Obwohl ich weiß, dass ich ein gutes Konzept für das Tutorium vorgestellt habe, wurde ich mit der schwammigsten Begründung abgelehnt. Das vorgestellte Konzept hätte fachlich im Gegensatz zu anderen Bewerber:innen einfach nicht gepasst. Das kann natürlich daran liegen, dass das Zufall und meine Bewerbung nicht gut genug war – oder es lag daran, dass das Thema nicht gut genug für eine österreichische Uni ist. Denn obwohl Umweltschutz und Feminismus auf meiner Uni in jeder zweiten Lehrveranstaltung besprochen wird, redet kaum eine:r von strukturellem Rassismus und Klassismus, der in Österreich präsent ist. Weder Professor:innen, noch Studierende scheint das Thema besonders zu interessieren. Ob das daran liegt, dass sie selbst mit diesen Themen nicht in Berührung gekommen sind? Man kann niemandem die Schuld für seinen/ihren Background geben. Trotzdem sollten sich besonders privilegierte Österreicher:innen ihres Status bewusst werden und sich vor Augen führen, dass Chancengleichheit eher Mythos als Faktum in diesem Land ist.
Migrant:innen in Österreich sind es einfach leid, in Zeitungen und im Fernsehen nie ihre Namen zu sehen. Sie sind es leid, Artikel über Rassismus von Journalist:innen, die wahrscheinlich noch nie aufgrund ihrer Herkunft diskriminiert wurden, zu lesen. Oder Journalist:innen-Preise und Auszeichnungen mitzubekommen, bei denen mal wieder kein:e Person mit Migrationshintergrund nominiert wurde. Und wieder sind wir Migrant:innen es, die sich zum Affen machen, wenn wir den österreichischen Journalismus damit konfrontieren. Meist sind die Ausreden schwammig: Es gab nun mal keine Migrant:in in der Redaktion, die über Rassismus berichten könnte, Journalist:innen österreichischer Herkunft haben nun mal bessere Arbeit geleistet und wurden deshalb für Preise nominiert oder dass das Konzept für das Tutorium einfach nicht gut genug war. Konfrontiert man die Personen damit, versuchen sie so schnell wie möglich abzuwehren, dass sie auch nur einen Funken internalisierten Rassismus in sich tragen. Schließlich sind es ja die Akademiker:innen, die linke Parteien wählen, Bio essen und Geld spenden. Wie sollen sie da bitte rassistisch sein?
Warum diverse Redaktionen so wichtig für Österreich sind
Obwohl Berichterstattung objektiv sein sollte, wissen wir alle, dass es unmöglich ist, Nachrichten zu 100% neutral zu moderieren. Es fließen immer verschiedene Meinungen der Medienwelt mit ein und das ist auch gut so. Doch diese Meinungen sind oft Wahrnehmungen von Menschen, die die eben nur einen Teil des Gesellschaft repräsentieren. Die österreichische Medienwelt braucht echte Diversität. Viele Redaktionen plakatieren ihre Blattlinie damit, bunt und anti-rassistisch zu sein, weil zwei Personen mit türkischen Namen in der PR-Abteilung sitzen und die Hälfte der Redakteur:innen weiblich ist. Doch guess what: This is not enough! Es ist sehr wichtig, dass immer mehr Frauen im Journalismus was zu sagen haben, aber divers ist eine Redaktion aufgrund des Geschlechts ihrer Mitarbeiter:innen noch lange nicht. Denn um Österreich 2020 medial richtig repräsentieren zu können, brauchen wir endlich PoCs, Menschen aus der LGBTQA+-Community, Personen verschiedener Religionszugehörigkeiten und mit Migrationshintergrund in den Redaktionen!
Wie stehst du zu dem Thema Diversität im Journalismus? Findest du, hat Österreich da Nachholbedarf oder denkst du, dass alles so passt wie es ist? Lass es mich wissen und schreib mir deine Meinung per Mail an natalia@medien-geil.at oder schick ne Insta-DM an @medien.geil!