Gastbeitrag von Bianca Jankovska aka Groschenphilosophin
Als ich meinen ersten redigierten Text für eine renommierte Wiener Wochenzeitschrift per E-Mail zurückbekam, musste ich erstmal ganz tief durchatmen, um nicht sofort eine bitterböse Antwort in mein Smartphone zu hämmern. Was sind das bitteschön für grauenhafte Wortspiele – gleich im ersten Absatz? Und überhaupt, wer schreibt denn bitte so? Obwohl sich das Phänomen bis heute nicht für mich erledigt hat, habe ich es immerhin geschafft, es für mich wie eine unbekannte Krankheit besser verstehen zu lernen.
Es gibt nämlich zwei Arten von Redigaturen: Die, nach der der Text wirklich besser wird und an Brillanz und Inhalt gewinnt. Und die, die deinen Text zerfetzt und ihn hinterher schlampig zusammennäht. Übrig bleibt dann meist nicht mehr als das Korsett, innerhalb dessen Absätze wie Tetris-Klötze hin und her verschoben wurden, die längst nicht mehr aufeinanderpassen. Es gibt leider immer noch einige Redaktionen – meist sind es übrigens die prestigeträchtigen Traditionsmedien und nicht ihre jungen, gerne verschmähten Ableger – die zugesandte Texte als Leibeigentum sehen und ihre Autoren nicht ernst nehmen. Also, zumindest nicht die „unbekannten“, die sich nicht so gut wehren können wie namhafte Kolleginnen und Kollegen, deren Image wesentlich zur Klickbarkeit eines Stücks beiträgt und demnach Extratoleranz verlangen.
Eine schlechte Redigatur lässt mich nicht nur enttäuscht, sondern auch wütend zurück. Wenn in einen stilistisch an sich inhärenten, gut formulierten und pointierten Text Fehler und Floskeln eingebaut werden, frage ich mich schon, warum ich mir überhaupt die Mühe gemacht habe, den Text zu verfassen – wenn ihn jemand anderes doch scheinbar schon im Kopf hatte? Unqualifizierte Redakteure verbiegen den Text solange, bis man ihn als Verfasserin beim erneuten Drüberlesen nicht mehr wiedererkennt und sich fragt: Warum zum Teufel hat man mich überhaupt beauftragt? Warum hat man mir diesen Text zugewiesen, um ihn danach umzubauen und all seiner Besonderheiten zu berauben? Und nein, es geht hier nicht ums Ego – ich habe das im Laufe der letzten sieben Jahre mit so vielen Autorinnen und Autoren besprochen, dass es sich nicht mehr um eine persönliche Befindlichkeit handeln kann und jeder, der auch nur einen Tag im Journalismus Geld verdient hat, weiß, wovon ich spreche.
Von dem Ohnmachtsgefühl, am kürzeren Ende der Leitung zu sitzen.
Abhängig zu sein, von irgendjemandem. Eine Antwort lautet oft: „So ist das eben, wenn man für Medium XY schreibt.“ Da gibt es eine gewisse Ansprache, ein gewisses Niveau, gewisse Dinge und stilistische Übel, die man einhalten muss. Damit es auch alle verstehen! Damit sich keiner ausgeschlossen fühlt! Damit vermeintliche Objektivität gewahrt wird! Damit auch der 60-jährige Heinz aus Niederhausen den Text einer Mittzwanzigerin versteht. Ich finde: Das meiste davon sind Ausreden. Denn weder denke ich, dass der Heinz – oder auch andere Leser und Leserinnen – zu dumm sind, um eine gute Pointe zu verstehen, noch denke ich, dass sich spannender Journalismus in langweilig besser lesen lässt und zum Fortbestehen von Print beitragen wird.
Als besonders übergriffig empfinde ich Eingriffe in Kolumnen und Kommentare, weil das Autorinnenstücke, und keine herkömmlichen Features sind, die jeder Absolvent einer Journalistenschule hätte besser schreiben können. Auch hier muss wieder differenziert werden, mit was für einem Typus Journo man zu tun hat. Autorinnen wie ich, die davon leben, ihren eigenen Stil zu pflegen, eignen sich meiner Meinung nach weniger für klassische Stücke, in denen das 08/15 des journalistischen Handwerks (oft: szenischer Einstieg, fünf verschiedene Quellen und Interviewpartner, Objektivität, zusammenfassendes aber offenes Fazit) verlangt wird.
Klar nehme ich Kritik an, vor allem was Argumentationsstränge angeht, oder fehlende Konsistenz im Aufbau. Wenn es allerdings um meinen Stil geht, wird es schwieriger. Nicht umsonst sind Geschmäcker bekanntlich verschieden – und da hätten wir schon die erste Floskel. Während ich darauf bedacht bin, diese wegzulassen, gibt es Medien, die sie extra einbauen und somit nicht nur beim später entsetzt drauf blickenden Leser Empörung hervorrufen, sondern auch bei der Autorin, die sich für das unter ihrem Namen veröffentlichte Werk schämt.
Ja, auch mir ist es nicht nur einmal passiert, dass ich mich für einen Artikel geschämt habe.
Und das lag nicht an der Headline, die kann man als Autorin meist nämlich ohnehin nicht beeinflussen. Denn die Sache ist auch die: Je mehr man sich gegen die redigierenden Redakteurinnen und edakteure wehrt, desto geringer die Chance, einen Folgeauftrag zu bekommen.
Die Redigatur ist also auch eine persönlich-berufliche Herausforderung, in der es darum geht, gut zu verhandeln. Ja, für seine persönlichen Lieblingspassagen einzustehen und im Falle des Falles auch zu sagen: Nein, so geht der Text nicht online und ich nehme es in Kauf, später keine Aufträge mehr bei diesem Medium zu bekommen. Dafür bewahre ich mir meine Integrität als Autorin und Mensch, der sich nicht verbiegen lässt und für sich selbst und den eigenen Stil einsteht.
Am liebsten arbeite ich mit Medien zusammen, die meine Texte so übernehmen, wie ich sie ihnen zusende und nur dann anrufen und nachfragen, wenn etwas sehr unverständlich ist, oder fehlt. Damit kann ich arbeiten, da weiß ich, was zu tun ist. Alle Medien, für die ich regelmäßig schreibe, erfüllen meine Kriterien des zwischenmenschlichen Respekts – und dafür bin ich dankbar. Denn ich habe lange dafür kämpfen müssen, um so publiziert zu werden, wie ich das für richtig halte. Was ich mir schon (indirekt) habe anhören müssen! Ich schreibe zu frech, ich schreibe zu direkt, diese Referenz „versteht keiner“. Ich müsse doch an die Herta aus Groß-Enzersdorf denken, die weiß nicht, wer Ed Sheeran ist. Solche Dinge. Ich weiß nicht, wie oft man mich in Wahrheit zurückhalten, statt fördern wollte. Das wiederum wäre eine ganz eigene Geschichte.
Der Journalismus steckt wie viele Institutionen in seinen Hierarchien fest, in der festangestellte und ranghöhere Journalisten das Sagen haben und sich nicht von ihren 1955 festgelegten Statuten abbringen lassen. Und seien die Gegenargumente noch so gut.
Erst unlängst hat mir eine befreundete Journalistin erzählt, warum sie nicht mehr für XY arbeiten möchte. Der Grund, mal wieder: der fehlende Respekt dem fertigen und gut überlegten Text gegenüber. Schade, dachte ich. Schade, dass renommierte Medien so ihre besten Freien vergraulen und einen Nachwuchs heranzüchten, der lammfromm ist und aufgehört hat, an sein eigenes Gespür zu glauben.
Wenn ich angehenden Journos eines mitgeben möchte, dann das: Mein schlechtes Gefühl einer Redigatur gegenüber war bisher – in den letzten sieben Jahren – nicht ein einziges Mal unbegründet. Das Bauchweh wollte mir etwas sagen. Eine Redigatur ist dann gut, wenn der Text wirklich besser wird und an Brillanz und Inhalt gewinnt.
Druckt euch das irgendwo aus, wenn ihr unsicher seid. Oder schreibt mir an frau@groschenphilosophin.at.
Über die Autorin
Bianca Jankovska ist Migrantin, Bildungsaufsteigerin und Social-Media-Neurotin. Bis vor Kurzem wollte sie eine „richtige“ Karriere haben. Bis sie eine hatte. Als Teenager hätte die Exil-Wienerin gerne eine Kolumne gelesen, in der es nicht ums Finden des „Traummanns“, sondern das Abstecken der eigenen Grenzen ging. Heute weiß sie: Alles muss frau selber machen, wenn es am Ende nicht nach Bullshit riechen soll. Als freie Autorin schreibt sie unter anderem auf ze.tt, watson, refinery29 und zeit online aus der Position eines konsumkritischen Millennials über Machtstrukturen auf dem Arbeitsmarkt, lästige wie schöne Internetphänomene und Popkultur. Mehr Infos findest du unter www.jankovska.de, ihrem Blog und dem gleichnamigen Instagram-Account groschenphilosophin. Ihr erstes Buch erscheint kommenden Winter beim Rowohlt-Verlag.