Wir starten in die #femspirationweek2019 und zwar gleich mit einem Thema, das mich vor allem im letzten Jahr ganz stark beschäftigt hat: Chancengleichheit. Ich habe meine Masterarbeit über weibliche Führungskräfte im österreichischen Journalismus geschrieben und konnte unter anderem einen Einblick bekommen, wie Journalistinnen selbst ihre Aufstiegschancen einschätzen. Spoiler alert: Nicht besonders rosig. Obwohl sie besser ausgebildet sind als ihre männlichen Kollegen, halten sie weniger Führungspositionen inne und verdienen teilweise weniger.
Nur rund jede zehnte Journalistin erringt eine leitende Funktion – und wenn dann vorwiegend in Lifestyle- und Frauenmagazinen – während dies fast jedem fünften Journalisten gelingt. Obwohl ein Mangel an weiblichen Führungskräften kein journalistisches Phänomen ist, gehen in Medienberufen deutlich mehr Frauen auf dem Karriereweg nach oben verloren, als in anderen Branchen.
Nicht nur, aber vor allem die befragten Journalistinnen unter 30 (in dieser Altersgruppe ist die Belegschaft in Medienhäusern heute mehrheitlich weiblich), sehen Ungleichheiten und Hindernisse im Aufstieg für sich. Die Themen, die die Journalistinnen beschäftigen, sind vor allem:
- Sexistische Klischees
- Vereinbarkeit von Beruf und Familie
- Gehaltsunterschiede
„Eine Frau zu sein, kann, je nachdem wo man sitzt, ganz super und ganz scheiße sein.“
Diese pointierte Aussage einer Journalistin ist mir scharf in Erinnerung geblieben. Betroffene Journalistinnen berichten davon, intern wie extern nicht ganz ernst genommen und wahrgenommen zu werden. Sie berichten davon, als unfähig angesehen zu werden – Klischees, dass Frauen keine harten Geschichten schreiben können, weil sie zu weich oder gefühlsgeleitet für politische Analysen sind, halten sich hartnäckig.
Und tatsächlich sieht die Verteilung auch so aus: Noch immer sind Ressorts wie Wirtschaft, Sport oder Politik meistens mehrheitlich männlich und Kultur und Lifestyle mehrheitlich weiblich besetzt. Auch wenn mittlerweile einige Journalistinnen politische Sendungen moderieren – wann habt ihr in Österreich eine Expertin das politische Geschehen kommentieren sehen?
Und vor sexistischen Aussagen und Witzchen ist man sowieso nirgends gefeit.
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Wer gut ist, kommt weiter?
Manche der Journalistinnen sagten, das Geschlecht spiele keine Rolle und wer gut ist, wird es auch schaffen, aufzusteigen. Jene Journalistinnen, die sich intensiv mit Frauenförderung beschäftigen, sehen das nicht so – sie identifizierten Systeme und Muster, die Journalistinnen bewusst oder unbewusst daran hindern, aufzusteigen oder es ihnen zumindest erschweren.
Generell bewerten Journalistinnen aus dynamischeren, jüngeren Unternehmen ihre eigene Wahrnehmung von Chancengleichheit im Unternehmen sowie in der Branche positiver als jene, die in traditionsreichen Medienhäusern tätig sind. Der Aufstieg in historisch gewachsenen Medienunternehmen scheint schwieriger zu sein, aufgrund lange bestehender, männlich geprägter Unternehmenskulturen.
Es wird von internen Männerbündnissen/Gruppen/inoffiziellen Männerseilschaften berichtet, die beispielsweise gemeinsam trinken gehen und dort auch über Jobs reden und Abmachungen treffen – das alles passiert ohne Frauen. Unter anderem auch deshalb, weil viele Frauen sich um die Kinderbetreuung kümmern und „nicht schnell mal auf ein Bier mitgehen können“.
Im Journalismus werden Stellen, vor allem Führungspositionen, überwiegend intern besetzt. Ein Interviewpartner stellte sogar klar, dass in seinem Unternehmen seit Jahrzehnten keine Führungsposition ausgeschrieben wurde. Teilweise werden diese Positionen gar nicht intern ausgeschrieben, was die Transparenz der Besetzung einschränkt. Wenn es hier zusätzliche männliche Seilschaften gibt, erschwert das Frauen den Aufstieg in Führungspositionen.
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Insgesamt ist es aber so, dass es für alle kaum offene Stellen gibt – Einsparungen betreffen alle und es herrscht einfach wenig Fluktuation – also wenige (Führungs-)Positionen, die überhaupt frei wären.
„Es ist 2018, es soll nicht mehr besser werden, sondern endlich gut sein.“
DAS Thema, wenn es um Frauenkarrieren geht, ist natürlich die Vereinbarung von Beruf und Familie. Es wird anhand von Beispielen berichtet, dass männliche Kollegen sich praktisch nie überlegen müssen, ob sie einen Termin wahrnehmen können, weil sie die Kinderbetreuung organisieren müssen – diese Bedenken werden nur von Frauen geäußert. Das kann besonders bei Sparten erschwerend sein, wo ungewöhnliche Arbeitszeiten oder Abendveranstaltungen zum Job-Profil gehören. Ohne Unterstützung von Familie und Partner ist eine Karriere mit Kind als Journalistin kaum möglich. Auch finanziell nicht: Beispielsweise als Freelancerin bekommt man für Beiträge wenig bezahlt, während Kinderbetreuung viel kostet.
Role Models wird eine große Bedeutung zugeschrieben. Mehrmals wird eine Kollegin erwähnt, die in eine hohe Führungsposition gehoben wurde, während sie schwanger war. Die Journalistinnen stellen aber klar, dass es wesentlich ist, Vereinbarungen und Rechte zu verankern, sodass es die Möglichkeit gibt, nachzufragen und einzufordern. Um sicherzustellen, dass nicht einige wenige Frauen profitieren, sondern Rechte für alle Frauen auf allen Ebenen gelten. Die Unternehmenshaltung zu Teilzeitarbeit und auch Vätern in Karenz hat maßgeblichen Einfluss auf die Maßnahmen, die zur Förderung der Chancengleichheit eingesetzt werden.
B*tch better have my money oder sit down, be humble?
Obwohl die Frage nicht gestellt wurde, hat jede der befragten Journalistinnen das Thema der finanziellen Ungleichbehandlung von Männern und Frauen im Journalismus angesprochen.
Gender Pay Gap kann ja auf mehrere Arten berechnet werden und es spielen viele Faktoren mit. Die Journalistinnen berichten aber von konkreten Gehaltsunterschieden für ein und dieselbe Position – gleiche Erfahrung, gleiche Verantwortung, gleiche Aufgaben – anderes Gehalt. Eine Kollegin nannte eine konkrete Summe von 300 Euro netto Gehaltsunterschied monatlich – das sind über 4.000 Euro weniger im Jahr.
Die Journalistinnen geben aber durchwegs auch sich selbst die Schuld: Sie werfen sich vor, nicht genug verhandelt zu haben oder ärgern sich, beim eigenen Gehalt Abstriche zu machen, weil es dem Unternehmen nicht gut geht. Andere waren zum Zeitpunkt der finanziellen Ungleichbehandlung zu jung und naiv und froh, überhaupt einen Job zu haben.
Sie sind sich durchwegs einig, dass Männer selbstsicherer in Gehaltsverhandlungen gehen und das Unternehmen auch verlassen, wenn sie nicht das bekommen, was sie verlangen. Die Journalistinnen, die unzufrieden mit ihrem Gehalt sind, fühlen sich unwohl, um mehr zu bitten. Sie haben Angst, die Sicherheit des Jobs für mehr Gehalt aufs Spiel zu setzen und haben auch Zweifel an den eigenen Fähigkeiten, ob sie eine Gehaltserhöhung denn wirklich verdienen.
Was sind eure Erfahrungen zu Chancengleichheit im Journalismus? Schreibt mir an office@medien-geil.at oder auf Instagram unter @medien.geil
Es gibt zum Glück aber auch Medienhäuser, die das besser machen und Chancengleichheit aktiv fördern. Wie sie das machen, erzähle ich euch in einem der nächsten Beiträge – stay tuned!