Einer meiner liebsten Vorzüge des Journalismus ist, dass ich wahnsinnig interessante Menschen kennenlerne, die viel zu erzählen haben. Ihre Geschichten erfahre ich, indem ich mit ihnen rede. Und Gespräche, die zum Ziel haben, „vertextet“ zu werden, nennt man Interviews. Und die unterscheiden sich von alltäglichen Plaudereien durch eine Menge Vor- und Nacharbeit und auch während des Gesprächs gilt es bei Interviews einiges zu beachten. Was du als Journalist*in konkret wissen musst: Wie bereite ich ein Interview vor? Wie führe ich ein Interview? Und was mach ich dann damit? Na dann fangen wir mal an.

Vor dem Interview

Schritt 1 ist es mal, sich zu dem Thema/der Person einzulesen und möglichst viele Informationen zu sammeln. Wenn der Fokus nicht schon vor deiner Recherche festgestanden hat, dann ist jetzt der Zeitpunkt, ihn wählen: Du hast nur begrenzte Zeit und solltest wissen, worüber du mit dieser Person sprechen willst. Wenn ihr Expert*innen zu einem bestimmten Thema sucht, ich habe gute Erfahrungen mit der Plattform Recherchescout gemacht.

Wenn ihr schon gewisse Themenblöcke habt, geht es ans Herzstück: die Fragen ausarbeiten. Wie sollen diese aussehen? Ja/Nein oder offene Fragen? Das kommt darauf an, was du brauchst. Von Politiker*innen will man manchmal ein klares Ja oder Nein (das man eh nicht bekommt), in der Regel stellt man aber offene Fragen. Du brauchst ja immerhin Infos und Stoff für deinen Text.

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Zu beschreiben was „richtige“ und „gute“ Fragen sind, ist schwierig, da das stark von der Interviewsituation abhängt. Aber wenn ich Fragen ausarbeite, orientiere ich mich unter anderem daran, ob ich diese Frage jedem x-beliebigen Menschen stellen könnte. Wenn ja, lass‘ ich sie weg. Nun bringt eure Fragen in eine sinnvolle Reihenfolge – thematisch Ähnliches bleibt zusammen und chronologische Sprünge sind eher zu vermeiden. Und steigt nicht mit der heikelsten Frage ins Interview ein. Hier findet ihr eine Auflistung grober Fehler, die ihr bei Interviews vermeiden solltet. Habt bei der Ausarbeitung der Fragen natürlich euren Text vor Augen, lasst aber auch zu, dass sich neue Perspektiven erschließen und bleibt möglichst flexibel.

Wie findet das Interview statt?

Ach ja: Habt ihr schon einen Termin ausgemacht? Ist die Form des Interviews bestimmt? Ist es ein face2face-Interview, per Skype, Telefon oder schriftlich? Hier eine kleine Auflistung der jeweiligen Vor- und Nachteile und was es bei den jeweiligen Formen zu beachten gilt.

Persönliche Treffen sind zwar zeitintensiv, aber die aufschlussreichsten. Ihr seht die Körpersprache des Gegenübers und ein persönliches Gespräch ist nun einmal die natürlichste Form der Kommunikation. Mein liebster Treffpunkt: kleinere Hotel-Lobbys. Die sind wie ein Café, aber in der Regel ruhiger und weniger überfüllt – möglichst wenige Geräusche, das kann euch die Aufnahme ruinieren!

Telefonische Interviews geben viel her, weil sie auch dem natürlichen Verlauf eines Gesprächs folgen und somit Folgefragen ermöglichen. Hier habt ihr aber euer Gegenüber nicht vor euch und müsst euch überlegen, ob ihr mitschreibt oder das Gespräch vielleicht doch mithilfe einer App aufnehmt. Aber Achtung: Für eine Aufnahme braucht ihr das Einverständnis des Gesprächspartners, am besten vorher schriftlich geben lassen.

Bei einem Skype-Interview müsst ihr nicht auf die Körpersprache verzichten, könnt ein Gespräch führen und seid nicht ortsgebunden. Muss aber zugeben, dass ich noch nie ein Skype-Interview geführt habe.

Schriftliche Interviews per Mail sind die Variante, die ihr wählt, wenn alles andere nicht ging oder ihr ganz schnell Antworten braucht. Ihr schickt die Fragen hin – die Antworten kommen zurück. Done.

Es gibt hier im Prinzip kein Richtig oder Falsch, ihr passt euch den Möglichkeiten an.

unsplash.com/Daniel Fazio

Während des Interviews

Jetzt geht’s hauptsächlich um die technischen Hilfsmittel für Interviews. Ich nehme prinzipiell alle Interviews auf. So muss ich nicht mitschreiben und kann Augenkontakt mit meinem Gegenüber halten, was viel natürlicher und angenehmer ist.

Eine Aufnahme kann aber auch als rechtliche Absicherung dienen, wenn es mal notwendig sein sollte. Informiert die Person unbedingt darüber, dass ihr aufnehmt und legt das Aufnahmegerät (Handy oder Diktiergerät, Kamera) sichtbar auf den Tisch.

Da Interviews auf Vertrauen basieren, gibt es die „Off the record“-Option. Wenn euch jemand so etwas erzählt, ist das weder für die Aufnahme (drückt auf Pause), noch für euren Artikel. Es gibt keinen Zwang, sich daran zu halten, aber wenn mir beispielsweise Leute im Interview etwas über ihre Kinder erzählt haben – das nichts mit der Story zu tun hatte – und sie mich dann baten, das nicht zu schreiben, habe ich mich immer daran gehalten.

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Nach dem Interview

Versucht das Interview möglichst rasch zu transkribieren (Audio in Text verwandeln). Das mach ich am liebsten mit oTranscribe. Wenn man Interviews laufen lässt, zu denen man keine Deadline hat, dann verpuffen sie ins Nirvana und man kümmert sich nie drum – schade um die Zeit. Und auch respektlos der Person gegenüber, die ja auch darauf wartet, dass es erscheint. (Ich würde lügen, wenn ich sage, es ist mir noch nicht passiert.)

Kürze gleich beim Transkribieren die ganzen ähms und ähs und filtere heraus, was du für deinen Text brauchst. Passe hierbei aber auf, dass du den Sinn nicht veränderst! Es ist sehr unethisch, etwas aus dem Kontext zu nehmen und Leuten Wörter in den Mund zu legen.

Welche Form soll dein Interview haben?

Ist das Interview der gesamte Text? Dann ergänze es um Titel, Lead, Steckbrief und verfeinere Fragen/Antworten und bringe sie in die richtige Form.

Ist dein Interview nur eines von mehreren, die später in deinen Artikel fließen? Dann kannst du jetzt schon mögliche „Sager“/Quotes herausnehmen, ansonsten legst du das Interview jetzt ab.

Punkt: Autorisierung?

In den USA würde das glaub ich kein Mensch machen. Aber in Österreich ist es recht gängig, Interviews zu einer „Autorisierung (Freigabe) zu schicken.Da muss man vorsichtig sein. Leute sagen vieles und wenn sie es dann geschrieben sehen, haben sie es plötzlich nie so gesagt oder gemeint und wollen alles umgeändert haben. Ich bitte eher um Freigaben, wenn ich einen Faktencheck brauche.