Sie ist Journalistin, Bloggerin, Schreibmentorin, Bestseller-Autorin und vor allem ein großes Vorbild. Seit einigen Jahren ist Menerva Hammad nun schon vom österreichischen Mediendschungel nicht wegzudenken. Uns erzählt sie, wie sie es schafft, alles unter einen Hut zu bekommen, und welche neuen Projekte sie geplant hat.
medien.geil: Wie sah dein bisheriger Weg in den Mediendschungel aus und wusstest du schon immer, dass du schreiben möchtest?
Menerva: Ich wusste schon immer, dass ich Autorin sein möchte. Aber ich wusste nicht wie. Nachdem es ja kein Autor:innen-Studium gibt, habe ich mich für das Studium entschieden, das eher zu mir gepasst hat und das war Publizistik. Im ersten Semester habe ich ein Praktikum bei Kronehit gemacht und bin so in die Medienbranche gekommen. Dort habe ich erstmals Kontakte geknüpft und die Sprecher:innenausbildung bezahlt bekommen.
Du hast ja sehr viele Aufgaben und bist auch Mutter – wie meisterst du das alles, wie sieht dein Alltag aus?
Gar nicht! (lacht)
Ich stehe um sechs Uhr morgens auf und frühstücke erstmals mit meinen Kindern. Danach bringe ich meine ältere Tochter in den Kindergarten und die Jüngere schläft wieder ein. Während meine Jüngste schläft, schreibe ich die Grundkonzepte für alle Texte, die an diesem Tag bevorstehen und plane mir den Tag ein. Ab da mache ich dann eigentlich immer alles nebenbei – dadurch brauche ich zwar länger, aber dafür kann ich auch Zeit mit meinen Kindern verbringen.
Es ist alles Zeitmanagement und frühes Aufstehen.
Hast du jemanden, der/die dich bei der Arbeit unterstützt?
Ich mache alles alleine. Obwohl mein Mann mich unterstützt, merke ich, dass es langsam zu viel wird. Wir sind beide im Homeoffice und wenn es so weitergeht, brauche ich bald Hilfe. Wahrscheinlich werde ich bald jemanden suchen, der mir bei der Arbeit assistieren kann.
Kommen wir mal zu deinem Instagram-Usernamen – du heißt da kakaotschifrau. Welche Bedeutung hat der Name?
Ich trinke ja keinen Kaffee. Und immer wenn ich mit Freund:innen auf einen Kaffee gegangen bin, habe ich statt Kaffee Kakao getrunken. In Wien sagt man zu Kaffee ja Kaffeetschi – und nachdem ich dafür bekannt bin, mit über 30 noch statt Kaffeetschi Kakao, also einen Kakaotschi zu bestellen, bin ich die Kakaotschifrau.
Du machst gerade eine Ausbildung zur Sexualpädagogin und postest auf deinem Instagram-Account viel zur weiblichen Sexualität. Warum ist dir dieses Thema so wichtig?
Es ist unabhängig von meiner Arbeit ein wichtiges Thema. Es ist ein Menschenrecht, zu wissen, wie der eigene Körper funktioniert. Und ein Teil davon ist die Sexualität. Mir ist einfach wichtig, dass man eine gesunde Einstellung zur eigenen Sexualität hat. Ich dachte früher, dass das eine Kultursache ist. Dass die Stigmatisierung nur in muslimischen Ländern, oder in Ländern mit schlechterer Bildung vorhanden ist. Nach eigener Recherche und Interviewführung für mein Buch „Wir treffen uns in der Mitte der Welt“ habe ich herausgefunden, dass Sexualität überall tabuisiert wird. Und ich verstehe einfach nicht, warum. Wir sprechen über alles bis ins peinlichste Detail, wie zum Beispiel, was wir auf Netflix schauen oder zum Essen bestellen. Das alles gehört ja zum Leben, aber Sex gehört auch dazu.
Wer ist deine Zielgruppe?
Frauen zwischen 15 und 68 Jahren. Laut den Nachrichten, die ich immer wieder von Leser:innen bekomme, ist meine Zielgruppe auch bunt durchgemischt.
Es ist ein Menschenrecht, zu wissen, wie der eigene Körper funktioniert. Und ein Teil davon ist die Sexualität.
Du bist sichtbare Muslima in der österreichischen Medienwelt. Welche Erfahrungen hast du damit in deiner journalistischen Laufbahn gemacht? Und waren sie überwiegend negativ oder positiv?
Beides. Grundsätzlich waren die Erfahrungen, die ich in den Redaktionen gesammelt habe, gut. Es gibt aber in jeder Redaktion einzelne Erlebnisse, bei denen du dir unsicher bist, wie du sie einordnen sollst. Ich habe einmal in einer neuen Redaktion zu arbeiten begonnen. Es gab einige Redakteur:innen, die mich anfangs für die neue Putzfrau gehalten haben. Es kam auch vor, dass mein Name falsch ausgesprochen wurde und ich irgendwelche Spitznamen bekommen habe, damit meine Kolleg:innen meinen Namen nicht lernen mussten. Wenn ich einen Tippfehler gemacht habe, dann war das kein Tippfehler. Ich habe den Fehler gemacht, weil ich ein Tschuschenkind (Anm.: Tschusch = abwertende österreichische Bezeichnung für Menschen mit Migrationshintergrund) bin. Wenn der Stefan einen Tippfehler gemacht hat, dann war es ein Tippfehler.
Wie gehst du mit solchen Situationen dann um?
Was Diskriminierung wegen meines Kopftuchs angeht, finde ich es einfach nur mehr anstrengend. Wir Hijabis haben uns einfach so oft bewiesen. Das Thema hängt uns allen aus den Ohren raus. Es wird Zeit, die Leute endlich damit in Ruhe zu lassen.
Wie ich jedoch damit umgehe, kommt auf die Situation an. Manche Aktionen kann man noch mit Humor nehmen. Einmal musste ich jedoch ein Interview abbrechen. In dem Interview sollte es eigentlich um mein Buch gehen, mir wurden aber sehr abwertende Fragen zu meinem Kopftuch gestellt, oder ob meine Eltern Wirtschaftsflüchtlinge waren. Als die Interviewerin fragte, wie ich es finden würde, wenn meine Tochter in Zukunft kein Kopftuch tragen möchte, sondern Bikinimodel wird, wurde es mir dann zu viel. Als ob Frauen entweder nur Bikinimodels oder Hijabis sein können?
Wenn ich einen Tippfehler gemacht habe, dann war das kein Tippfehler. Ich habe den Fehler gemacht, weil ich ein Tschuschenkind bin. Wenn der Stefan einen Tippfehler gemacht hat, dann war es ein Tippfehler.
Welchen Tipp würdest du angehenden Journalist:innen auf ihren Weg mitgeben?
Mach weiter und hab Geduld. Irgendwann wird sich deine harte Arbeit auszahlen.
Inwiefern verändert deiner Meinung nach deine Arbeit die Medienwelt?
Ich glaube nicht, dass sich die Medienwelt durch meine Arbeit verändert. Was sich schon verändert, ist aber die Einstellung vieler Leute. Ich bekomme haufenweise Mails, Kommentare und Nachrichten, dass mein Buch die Leser:innen zum Nachdenken gebracht hat. In meinem Buch habe ich viele Tabuthemen in Form von Geschichten von Frauen aufgegriffen.
Worauf können wir uns von dir noch freuen?
Im Herbst kommt ein neues Buch raus. Es heißt „Von Muttertier zum Wunderweib“ und ist eine Hommage an das Frausein und an das Muttersein. Seid gespannt!
Leseempfehlung: In Menervas Buch Wir treffen uns in der Mitte der Welt geht es um die Geschichten verschiedener Frauen. Sie ist durch die ganze Welt gereist und hat beispielsweise mit einer asexuellen Frau oder einer Genitalverstümmlerin, die Sexualtherapeutin wurde, gesprochen. In diesem Buch bekommen Frauen eine Stimme, die meist nicht gehört werden und brechen in unserer Gesellschaft oft präsente Stigmata.
Menervas bisherige berufliche Laufbahn:
- 2020 – heute: Schreibmentorin
- 2019: Bestsellerautorin „Wir treffen uns in der Mitte der Welt“
- 2011 – heute: Freie Journalistin bei BIBER, WIENERIN, MADONNA, Wiener Zeitung, an.schläge, Linkswende und viel mehr
- Juli 2016 – heute: Kolumnistin bei WIENERIN mit ihrer eigenen Kolumne, „Servus Alaykum“
- Juli 2016 – heute: Gründerin und Bloggerin von Hotel Mama
- August 2018 – Mai 2019: Chefredaktionsassistentin bei MADONNA & Seitenblicke
- Oktober 2015: Moderatorin der Wiener Video- und Filmtage
- Oktober 2014: Praktikum bei Puls4
- September – Dezember 2011: Praktikum bei kronehit
Menervas Buch kannst du hier bestellen, über diesen Link gelangst du zu ihrem Blog, hier findest du ihr Instagram.
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